Magisterarbeit.5.1

Nachwort, Oktober 2011

Die Veröffentlichung der Magisterarbeit nach vierzig Jahren verbindet sich mit einer starken Erinnerung an den Hochschullehrer Professor Peter Bloch, der nicht nur die Magisterarbeit, sondern auch meine Dissertation betreute.

Peter Bloch (1925-1994) studierte von 1948 bis 1950 an der Berliner Universität Kunstgeschichte und Philosophie. Die auf die Realgeschichte bezogene Kunstauffassung Richard Hamanns hat ihn auch noch in seinem späteren kunstwissenschaftlichen Denken geprägt. Wegen der politischen und ideologischen Querelen durch die Parteikader der Sozialistischen Einheitspartei verließ Peter Bloch die Humboldt-Universität und wechselte nach Basel, wo er seine Studien unter Joseph Gantner und Karl Jaspers fortsetzte. 1954 wurde er mit der Arbeit über das Hombacher Sakramentar und dessen Stellung innerhalb der Reichenauer Buchmalerei zum Dr. phil. promoviert. Von 1954 bis 1958 war er Assistent bei  Heinrich Lützeler in Bonn, danach begann er ein Volontariat am Kupferstichkabinett der Staat-lichen Museen zu Berlin. Er wechselte jedoch schon nach acht Monaten an das Museum Schnütgen in Köln. 1962 habilitierte er sich an der Kölner Universität.

Während seiner Tätigkeit am Schnütgen Museum entwickelte sich Peter Bloch nicht nur zu einem Spezialisten für mittelalterliche Plastik, sondern über Forschungen im Bereich der Nachahmung oder gar Fälschung mittelalterlicher Kunstwerke im 19. Jahrhundert wurde er auch ein Fach-mann für die Kunst des Historismus zwischen Romantik (1800) und Früher Moderne (1910).

1967 wurde er als Nachfolger von Peter Metz  Leiter der Skulpturen-abteilung der Staatlichen Museen zu Berlin; er übernahm auch einen Lehrauftrag am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität.


Peter Blochs Lehrveranstaltungen begeisterten die Berliner Studenten durch seinen – den Geist fesselnden – Vortragsstil, der über die Beschreibung und die rein kunsthistorische Deutung der Werke auch zu den tieferen sozialen, kulturellen und ideengeschichtlichen Inhaltsschichten vorstieß. Sein Interesse an der Skulptur des 19. Jahrhunderts inspirierte viele Studenten, sich mit der Kunst des Historismus und der Frühen Moderne zu beschäftigen. Seiner Lehre ist es zu verdanken, dass zahl-reiche Berliner Dissertationen sich der Kunst des 19. und frühen 20. Jahrhunderts annahmen.


Schwerpunkte im Vorlesungsverzeichnis des Kunsthistorischen Instituts waren – soweit ich mich erinnere – bis zu seinem Eintreffen in Berlin die gotische Architektur, die altniederländische Malerei, die Kunst der Renaissance und des Barock. In die Nähe der Roman-tischen Kunst oder gar die des 19. Jahrhunderts wagte sich kaum einer der Dozenten. Für viele Studenten waren die Vorlesungen und Seminare von Peter Bloch eine Art Neubeginn des Studiums der Kunstgeschichte. Die inhaltliche Breite seiner Interpretationen regte die Zuhörer an, auch kunstwissenschaftlichen und kunsttheoretischen Fragen nachzugehen.

Meine Magisterarbeit, die erste am Kunsthistorischen Institut in Berlin, reiht sich ein in das große Thema der Aufarbeitung der Plastik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, dessen sich Peter Bloch mit Hingabe widmete. Sein Buch „Die Berliner Bildhauerschule des neunzehnten Jahrhunderts“, das er zusammen mit dem Bildhauer und Steinmetzen Waldemar Grzimek herausgab, ist zum Standardwerk für das Studium der Berliner Bildhauerkunst geworden. Die Katalogisierung bedeutender Grabdenkmale auf den West-Berliner Friedhöfen, die er zusammen mit Studenten seiner Seminare durchführte, machte ihn zum Begründer eines neuen Studienschwerpunkts im Bereich der Denkmalkunde und auch der Stilgeschichte der Skulptur und der (Grabmal)-Architektur.


Was im Rückblick die Betreuung von Magisterarbeiten und Dissertationen pädagogisch so bedeutsam macht, war die Selbstverständlichkeit, auch Themen anzunehmen, die methodisch Neues wagten.

Die Auseinandersetzung mit dem plastischen Werk Georg Kolbes war nicht intendiert als die Anfertigung einer Werkgeschichte. Bei der Besprechung des Themas gab es keinerlei Einwände gegen den Wunsch, in der Arbeit sich mit Fragen des dialektischen Verhältnisses von Stil und Zeitgeschichte beschäftigen zu wollen. Für mich ging es im Kern darum, die Stilbrüche im Oeuvre Georg Kolbes in eine historische Beziehung zu den Vorgängen in der Kaiserzeit, der Weimarer Republik und der NS-Diktatur zu setzen.

Das Studium bei Richard Hamann, die philosophischen Studien und die intensive Auseinandersetzung mit dem Historismus des 19. Jahrhunderts waren – im Blick zurück – wohl der Grund, für die „liberale“ Haltung dieses Hochschullehrers gesellschaftsbezogenen Themen gegenüber. Er kam so den neuen geistigen Bedürfnissen der Studenten in den Tagen der Studentenrevolte entgegen, Kunstgeschichte wieder als ein Teil der Geschichtswissenschaften zu begreifen. Er gab ihnen in der Anlage ihrer Arbeiten den nötigen Spielraum, das Zusammenspiel von Real- und Kunstgeschichte in wissenschaftlicher Form darzustellen. 

Es war die liberale Grundhaltung, die Peter Bloch dazu bewog, auch Arbeiten zu betreuen, die stärker historisch ausgerichtet waren und in den Augen konservativer Hochschullehrer die Herausarbeitung des ästhetisch Besonderen (Neuen) zu vernachlässigen schienen. Es war das Konzept einer wissenschaftlichen Arbeit, das Peter Bloch ansprach, und das er zu verwirklichen half.


Im Vergleich mit den heutigen Magisterarbeiten sind meine (be-scheidenen) 75 Seiten kein akademisch-schriftstellerisches „Ruhmes-blatt“. Die Idee war – und mehr war nicht gewollt – die stilgeschichtliche Entwicklung eines Oeuvres in einen Dialog mit der Zeitgeschichte zu setzen. Das Werk Georg Kolbes ist ein Lehrbeispiel, diese Beziehung anschaulich vorzustellen. Die Stilbrüche im Werk, die mit den Geschichtsphasen 1890-1918, 1918-1923, 1923-1929, 1928-1939 und 1939-1945 nicht nur formal-stilistisch, sondern oft auch thematisch-inhaltlich korrespondieren, ist in der Kunstgeschichte ein ungewöhn-licher Fall, der das Zusammenspiel von Stil und Zeit zu belegen vermag. Dies anhand von einer Auswahl von nur einigen wenigen Werken, die typisch für die stilistische Entwicklung von Kolbes Gesamtwerk sind, darzustellen, war der (alleinige) wissenschaftliche Auftrag, dem ich mich in der Magisterarbeit zu stellen hatte.

Mit einem kritischen Blick – von heute – auf diese fällt durchaus der Mangel, auch die inhaltlichen Verschiebungen im Werk angemessen (pointierter) herausgearbeitet zu haben, auf. Der „Keulenschwinger“ von 1903 ist natürlich ein klares Bekenntnis Kolbes zur wilhelminischen Kunstauffassung. Auch der „Somalineger“ von 1912 ist thematisch immer noch ein „Kind“ kolonialer Kultur des späten 19. Jahrhunderts. Die „Sklavin“ von 1916 ist aus heutiger Sicht nicht mehr einfach in die Rubrik „Exotisches“ einzuordnen, sondern sagt mit vielen anderen Werken Kolbes auch etwas über das Frauenbild Kolbes und das seiner Zeit aus.

Auch der Wechsel der Körperlichkeit der dargestellten Frauen und Männer, die zwischen Expressionismus und dem Rückkehr im Spätwerk zur heroischen Körperlichkeit wilhelminischer Kunst wechselt, ist nicht nur ein ästhetisch-künstlerisches Problem, sondern der Stilwandel ist auch eine Dokumentation des sich wandelnden psychisch-geistigen Weltbildes des Künstlers, der sich all zu oft von seinem realistischen Menschenbild löst und idealistischen Themen folgt, die als besondere historische und künstlerische Inhalte zu deuten und zu werten gewesen wären.

Dies war jedoch, nach Thema und Umfang, nicht die Aufgabe meiner Magisterarbeit. In der Dissertation „Das Problem der Form- und Inhalts-reduktion im künstlerischen Schaffen und theoretischen Denken Deutscher Plastiker der Marées-Nachfolge“ werden dann auch Fragen der formalen und thematischen Verschiebungen in der historischen Inhaltlichkeit in den Werken der vorgestellten Künstler beantwortet.


(Letzter Abschnitt des Nachworts: s. Magisterarbeit.5.0)

 
Erstellt auf einem Mac