Stil-G.d.K.: Rezensionen.8.1.2

EINE „REZENSION“ IN EIGENER SACHE

 

Bei einer intensiveren Recherche im Internet nach Rezensionen der „Stil-Ge-schichte der Kunst“ wird man auch auf die Autoren Walter Kayser und Friedrich Weltzien stoßen. Beide bringen für den Versuch, akademisch interessierten Laien und Studenten der Kunstgeschichte eine allgemein verständliche und zugleich methodisch angelegte Stilgeschichte der Kunst zum Studium anzubieten, wenig Verständnis auf. Und beide – hierin ist eine thematische Gemeinsamkeit zu entdecken – machen dem Reimer-Verlag Vorwürfe, sich mit der „Stil-Geschichte“ von den klassischen kunstwissen-schaftlichen Veröffentlichungen zu verabschieden und ein Werk heraus-zugeben, dass den hohen Ansprüchen wissenschaftlicher Arbeit kaum ge-nügt. Nun gibt es verschiedene Formen des wissenschaftlichen Arbeitens, auch solche, die der Zitate nicht bedürfen. Einen allgemeinen päda-gogischen, geschichtlichen oder hermeneutischen Zugang zur Kunst zu schaffen, ist meiner Meinung nach auch ein wissenschaftlicher Weg, Inte-ressierten kunstgeschichtliche Inhalte nahe zu bringen.

Ein ganzheitlicher Ansatz, der als Versuch so alt ist wie die Kunstwissen-schaft selbst, muss nicht, wie Walter Kayser dies tut, mit Wellness zusam-mengebracht werden und das Fehlen von Zitaten muss, wie dies Friedrich Weltzien kritisiert, nicht unbedingt als unwissenschaftliches Denken abgewertet werden. Beide Autoren hätten durchaus auch von Positivem ausgehen können, was eine Kritik der Details oder auch des ganzen An-satzes nicht unbedingt ausschließen muss. Die Ausführungen zu Gerhard Richter oder Sigmar Polke z.B., die – meiner Meinung nach – durchaus etwas Wesentliches zur Entwicklung von Kultur und künstlerischem Stil auszusagen vermögen, sind nicht einmal genannt. Oder essentieller: die Rückkehr zur klassischen Stilgeschichte der Heinrich Wölfflin-Generation als eine postmoderne, Geschichte und Kulturgeschichte betonende Variante einer zeitgemäßen Stilgeschichte zu deuten, wurde nicht einmal gesehen. Hier wäre für Friedrich Weltzien, als Hochschullehrer, ein theoretischer Ex-kurs, die „Stil-Geschichte der Kunst“ in einen kritischen Bezug zur Bild-wissenschaft der Gegenwart zu setzen, durchaus möglich gewesen.

Wenn man, wie Friedrich Weltzien, erst im letzten Satz der Rezension zu der kritisch gemeinen Aussage kommt, dass die „Stil-Geschichte der Kunst“ eigentlich nur für Laien geschrieben wurde, so ist dies ein trauriges Zeichen intellektueller Qualität. Allein die Widmung des Buchs an meine Studenten, die Studierenden der beiden Volkshochschulen und der Lessing-Hochschule auf Seite 11 erklären allzu deutlich, an wen das Buch sich richtet. Die „Stil-Geschichte“ ist weiterhin voller Graphiken – der Verständlichkeit wegen – und nur Primärzitate unterbrechen den Lesefluss. Dies sind doch wohl mar-kante Zeichen, dass die „Stil-Geschichte“ nicht allein für Kunstwissen-schaftler, sondern eher für Studenten der ersten Semester und interessierte Laien geschrieben wurde. Die biographischen Angaben, das Vorwort und Nachwort geben reichhaltige Informationen zu meinem Wissenschaftsver-ständnis und zu meiner pädagogisch motivierten Arbeit. Die abwertende Kritik – „die Stil-Geschichte sei nur ein Buch für Laien“ – am Ende eines vierseitigen Textes diskreditiert nicht nur den Schreiber, sondern auch mein pädagogisches Engagement. Eine über dreißig Jahre währende päda-gogische Arbeit, die nicht nur Elitestudenten amerikanischer Universitäten (Stanford University / Duke University) gewidmet war, sondern auch im Bereich der Berliner Erwachsenenbildung über dreißig Jahre Bedeutendes geleistet hat, indem breiten Kreisen der Berliner Bevölkerung ein (wissen-schaftlicher) Zugang zur Geschichte, Kultur und Kunst ermöglicht wurde, spielt bei der Begutachtung der „Stil-Geschichte“ für beide Autoren keinerlei Relevanz.

Ich habe den Eindruck, dass Walter Kayser und Friedrich Weltzien die „Stil-Geschichte der Kunst“ und das Anliegen des Autors, einen Beitrag zur geistigen Aufklärung zu leisten, nicht wirklich verstanden haben. Nicht nur die Kunst hermeneutisch zu deuten, bedarf der Bildung, sondern auch ein (wissenschaftliches) Buch zu lesen, um es in seiner historischen Bedeutung zu verstehen, ist eine Kunst, die es zu erlernen gilt. Dies zu vermitteln, war – und dies ist die Ironie der Auseinandersetzung – die eigentliche Intention, die „Stil-Geschichte der Kunst“ geschrieben zu haben. Dass Teilnehmer meiner Kurse an den Weiterbildungseinrichtungen und fachfremde Akademiker kaum intellektuelle Schwierigkeiten mit dem Anspruch, der Methode und dem Text der „Stil-Geschichte“ haben, sagt auch etwas Wesentliches über die „moderne“ Sucht im Bereich akademischer Kritik aus, sich auf Kosten eines Anderen – in einem feuilletonistischen (Kayser) oder auch ernsten wissenschaftlichen Sprachduktus (Weltzien) – profilieren zu müssen.                     

                            

                    Franz Neckenig